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Waffen für Kurden im Irak: Eine schwierige, aber richtige Entscheidung

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Kurden und Jesiden beteiligten sich Anfang August wie hier in Frankfurt an Protesten gegen die Invasion der Terrorgruppe IS (Islamischer Staat) in weiten Teilen des Nordirak. (Foto: dpa)

Kurden und Jesiden beteiligten sich Anfang August, wie hier in Frankfurt, an Protesten gegen die Invasion der Terrorgruppe IS (Islamischer Staat) in weiten Teilen des Nordirak. (Foto: dpa)

Derzeit vergeht kein Tag ohne neue Schreckensnachrichten aus dem Krisengebiet im Irak. Einen grausamen Höhepunkt bildete zuletzt die Hinrichtung des US-Journalisten James Foley vor laufender Kamera. Die Terroristen der IS schrecken vor extremer Gewalt nicht zurück. Allein im Irak sind derzeit ca. 1,2 Millionen Menschen auf der Flucht vor den Terroristen. Für ganze Bevölkerungsgruppen geht es in diesen Tagen ums pure Überleben.

Die Kämpfer – das sind vor allem Soldaten aus der nordirakischen Region Kurdistan, die sich gegen die Terroristen stemmen, benötigen dringend materielle Unterstützung für ihren Kampf. Heute hat der Deutsche Bundestag darüber diskutiert, ob die Bundesrepublik in diesem Konflikt eine verantwortungsvollere Rolle übernimmt und Waffen in den Irak liefert. Mit einem Entschließungsantrag hat die deutliche Mehrheit der Abgeordneten die Entscheidung der Bundesregierung unterstützt. Diese hatte zuvor beschlossen, Waffen in den Irak zu liefern.

Ich selbst habe in der letzten Woche ebenfalls für die Waffenlieferung gestimmt. Ich sehe die Bundesrepublik in der Verantwortung. Der Konflikt droht unkontrollierbar zu eskalieren. Damit Sie sich ein Bild von derzeitigen Situation machen können, habe ich einige Fakten für Sie aufbereitet:

Wer ist IS und was sind die Ziele?

„IS“ steht für „Islamischer Staat.“ Dahinter steht eine terroristische Vereinigung, die gewaltsam ein Kalifat in Syrien und dem Irak, im Libanon, Israel, Palästina und Jordanien errichten will. Zuvor nannte sie sich Islamischer Staat im Irak und in der Levante (ISIL) oder wurde Islamischer Staat im Irak und (Groß-)Syrien (ISIS) genannt. IS ging aus der Gruppe „Tawhid und Dschihad“ hervor, welche sich 2003 gegen den Einmarsch der USA in den Irak wandte.

Der IS gehören vor allem sunnitische Extremisten an, die aus unterschiedlichen Nationen kommen. Darunter befinden sich neben Irakern und Syrern auch Kämpfer aus afrikanischen Staaten und aus Europa und Deutschland. Schätzungsweise sind derzeit allein aus Deutschland 400 Extremisten bei IS aktiv.

Die Organisation beherrscht mittlerweile große Teile der sunnitischen Gebiete des Iraks, über die die schiitische Zentralregierung die Kontrolle verloren hat und in denen IS-Terroristen nun Angst und Schrecken verbreiten.

Wie bedrohlich ist die Situation für die Menschen im Irak?

Die Bedrohung im Irak ist außerordentlich groß. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen sind im Irak bis zu 1,2 Millionen Vertriebene auf der Flucht, Tausenden droht der Hungertod. Hiervon betroffen sind insbesondere ethnische Minderheiten wie Christen, Jesiden, und Turkmenen. IS zwingt die Menschen zum Islam zu konvertieren und Schutzgelder zu zahlen. Wer nicht Folge leistet, wird ermordet. So finden zahlreiche Exekutionen und Folterungen statt.

Einheiten der irakischen Armee und der Peschmerga, der militärischen Organisation Kurdistands, konnten bisher in vielen Provinzen nur wenig Widerstand leisten und mussten sich häufig zurückziehen. Auf ihrem Vormarsch erobert IS vor allem Militärstützpunkte und macht sich das vorgefundene Material zu Eigen. Die IS-Kämpfer verfügen mittlerweile über modernstes Kriegsgerät, wie z.B. Raketen und Panzer aus den USA.

Aufgrund großer finanzieller Möglichkeiten kann die IS sich weitere Waffen auf dem internationalen Markt beschaffen.

Die kurdischen Kämpfer der Peschmerga verfügen hingegen meist nur über alte sowjetische Waffen, die oft noch aus Zeiten Saddam Husseins stammen, sowie über leichte Geschosse mit geringer Reichweite und Durchschlagskraft. Den gepanzerten Fahrzeugen der IS können sie nur wenig entgegensetzen.

Besteht auch für Deutschland eine direkte Bedrohung?

Die IS ist extrem gewaltbereit und zieht zahlreiche Kämpfer aus dem internationalen Ausland an. Allein die Terroristen, die aus Deutschland stammen, gehen in die Hunderte. In den Lagern und Camps der IS werden die Kämpfer radikalisiert und ausgebildet. Es ist damit zu rechnen, dass die westlichen Staaten aus den Reihen der IS angegriffen werden.

Die Unterstützung der irakischen und kurdischen Kämpfer ist daher nicht nur ein Gebot der Menschlichkeit sondern auch eine Frage der eigenen Sicherheit in Europa und in Deutschland.

Wie kann Deutschland helfen?

Zunächst ist humanitäre Hilfe unabdingbar. Die Bundesrepublik wird ihre bisherigen Unterstützungen noch einmal um 50 Millionen Euro aufstocken.

Darüber hinaus brauchen die kurdischen Einheiten im Nordirak, die sich dem IS entgegenstellen, aber auch modernere Waffen.

Am gestrigen Sonntag entschieden Bundeskanzlerin Angela Merkel und die zuständigen Minister, dass u.a. 16.000 Sturmgewehre vom Typ G3 und G36, 8.000 Pistolen, 10.000 Handgranaten, 240 Panzerfäuste, 30 Panzerabwehrwaffen vom Typ Milan, sowie 500 Raketen und Fahrzeuge geliefert werden.

Bereits zuvor wurde die Lieferung von 4.000 Schutzwesten, 4.000 Helmen und 700 Funkgeräten als auch 20 Metallsuchgeräten, 30 Minensonden, 40 Werkzeugsätzen zur Munitionsbeseitigung und 680 Nachtsichtgeräten vereinbart.

Was leisten internationale Partner?

Seit Anfang August finden Luftangriffe durch die USA statt. Waffenlieferungen aus den USA und Frankreich sind bereits angelaufen. Kanada, Kroatien und Albanien beteiligen sich ebenfalls an Waffenlieferungen an die Kurden. In Dänemark wurde in der vergangenen Woche der Einsatz eines Hercules-Flugzeugs genehmigt, mit dem Waffen in den Nordirak transportiert werden sollen. Auch Italien, die Tschechische Republik und Großbritannien sind zu Lieferungen bereit. Weiterhin findet humanitäre Hilfe statt, die intensiviert werden soll.

Welche Gefahren bestehen im Zusammenhang mit Waffenlieferungen?

Obwohl die Waffen für die Peschmerga gedacht sind, verlangen auch die Rebellen von der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Waffen. Die PKK befindet sich allerdings immer noch im Krieg mit dem Nato-Land Türkei und wird von westlicher Seite als Terrororganisation eingestuft. Waffenlieferungen an die PKK wird es daher nicht geben.

Allerdings ist nicht auszuschließen, dass deutsche Waffen an die PKK weitergegeben werden, wenn es die militärische Lage erfordert. Theoretisch könnte die PKK diese Waffen dann auch gegen die Türkei einsetzen. Waffen aus Nato-Staaten würden dann im Kampf gegen ein Nato-Land verwendet. Es gibt keine Garantie dafür, dass deutsche Waffen nicht irgendwann in falsche Hände geraten. Eine weitere Gefahr sehen manche darin, dass die Kurden die Waffen in Zukunft für ihre Unabhängigkeitsbestrebungen einsetzen könnten.

Trotz der Gefahren, die mit einer Waffenlieferung verbunden sind, unterstütze ich diese und die Entscheidungen der Bundesregierung. Humanitäre und militärische Hilfe ist dringend notwendig und muss vor allem schnell erfolgen, um den Terror durch IS zu bekämpfen und den Genozid an den ethnischen Minderheiten zu stoppen. Katastrophen, wie sie 1994 in Ruanda oder 1995 in Srebenica stattgefunden haben, dürfen sich nicht wiederholen.

Wir stehen in der Verantwortung, Massenmorde zu verhindern. Auch dann, wenn wir dafür einen militärischen Beitrag leisten müssen.


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